ArtInside 2016
Tangoband mit Performance von Rose Vollmer (21.04.2016)
Die Oberderdinger Kulturtage Artinside eröffneten am 21. April mit „Tangopackung: Bilderdemokratie in Musik, Tat und Bild“. Der Titel verrät, dass sich die Veranstalter viel vorgenommen hatten. Schließlich ist von zwei Kunstformen, Aktionen und noch von Demokratie die Rede. Von Bilderbuchdemokratie hat man schon gehört, von Bilderdemokratie noch wenig. Die Säulen der Veranstaltung waren die im Aschingerhaus gerade stattfindende Ausstellung „Wertsachen“ von Rosemarie Vollmer und eine geballte Ladung Tangomusik, die die Gruppe Tangopackung - der Name ist hier Programm - mit in die laufende Kunstschau brachte. Die fünf Musiker bereiteten nun keineswegs eine Fangopackung, in der man sich gemächlich räkeln konnte, sondern einen Sound, der zu Aktivitäten vielfältiger Art herausforderte. Hier kommt nun die Bildende Kunst mit Rosemarie Vollmer ins Spiel, die, den Titel ihrer Ausstellung „Wertsachen“ ins rechte Licht rückend, ein großflächiges schon in die Jahre gekommenes Plakatbild auf Holz durch eine Stichsäge für eine neue Verwendung freigab. Während die Tangopackung ein Auf und Ab, Euphorie und Enttäuschung, Voranschreiten und Scheitern musikalisch intonierte, brachten mehrere Besucher die Teile in eine neue Ordnung und türmten im Aschingerhaus eine komplexe Figur aus Holzteilen auf, womit die Kunst aus elitärer Fallhöhe zu einem kreativen Spaß und damit demokratisiert wurde. Die Kunstschaffenden durften Einzelteile dann auch mit nach Hause nehmen, signiert von Rosemarie Vollmer versteht sich.
Nachdem Tangopackung zum Neugestalten inspiriert, animiert und rhythmisch gedrängt hatte, spielte die Gruppe zwei Sets, in denen ihre Musik für sich selbst stand. Das Publikum konnte sich derweil jeder für sich in Beziehung zu dem neu entstandenen Werk aus Holzteilen bringen. In ihrem ersten Set konzentrierte sich die Gruppe auf Stücke aus Osteuropa und präsentierte Volksweisen aus Serbien, der Ukraine, Makedonien, Bulgarien und Rumänien, unter anderen auch Bélà Bartoks Rumänische Volkstänze, verbundenen mit Tangopackung-Eigenkompositionen als Überleitungen. Die ethnische Vielfalt des Balkans spiegelte sich in den Stimmungen und Tempi der Stücke. Gemeinsam war ihnen der Wechsel zwischen Ausgelassenheit und Freude auf der einen Seite und trauriger Melancholie auf der anderen, wie man ihn auch aus der Klezmermusik kennt. Auch wechselten beschauliche volksliedhafte Passagen, bei denen man sich eine Singstimme gut vorstellen konnte, mit rhythmisierten schnellen Teilen, bei denen einem ein osteuropäischer Dorfsaal in den Sinn kommen konnte, in dem Polka und Marsch getanzt werden. Hans-Peter Kummer (Schlagzeug) und Inés Alicia Stocker (Keyboard) konnten an diesen Stellen ihre besondere Schlagfertigkeit nachweisen. Guido Weber an der Gitarre vermochte gut zwischen sanft und schrill zu variieren. Christiane Weber brachte mit dem Akkordeon gekonnt die Stimmungslage aus der Volksmusik ein, die man mit Sehnsucht und Melancholie umschreiben könnte. Sönke Frank spielte virtuos auf dem Saxophon, dem Sehnsuchtserzeuger aus dem Jazz. In einer Nummer überraschte die Gruppe auch mit einem seltenen Instrument, dem Theremin, das Töne hervorbringen kann, ohne dass es berührt werden muss.
Im zweiten Set nahm die Gruppe die Zuhörer mit auf eine Reise durch die Welt des Tango, von Finnland bis Südamerika. Besonders angetan hat es den Musikern hier Astor Piazolla, der argentinische Komponist und Begründer des Tango Nuevo. Bei solch exzellenter Tangomusik ließ es sich ein Paar aus dem Besucherkreis nicht nehmen, eine kurze Tangoeinlage zu geben, womit wir nach Bildender Kunst und Musik mit Tanz bei der dritten Kunstform angekommen wären. Auch die Sprechkunst kam noch zum Tragen, als Sönke Frank mit schwer aussprechbaren Wortfügungen aus entfernten Sprachen mit dem Publikum einen rhythmischen Sprechgesang anstimmte. Insgesamt ein vielversprechender und viele Kunstsparten umfassender Auftakt der Oberderdinger Kulturtage, entwickelt vom Oberderdinger Verein Kulturdreieck mit Rosemarie Vollmer und der Gruppe Tangopackung.
Horst Immel
Theater Koralle Bruchsal bei der Artinside (23.04.2016)
Allerlei Hausgemachtes mit De Onne und De Ingrid im Forum Oberderdingen
Dritter Abend der Oberderdinger Kulturtage
Sie sind der Act, den sich jeder Veranstalter wünscht: Die Anne (d’Onne) und die Ingrid putzen zunächst den Spielort und die Bühne mit Besen und Staubwedel durch, bevor sie auf ihrer schmiede-eisernen Gartenbank Platz nehmen und „Allerlei Hausgemachtes“ zum Besten geben. Dabei geht es nur in der ersten Szene, wenn die beiden Frauen in Berufskleidung auftreten, um’s „Butze“, um die vielen Räume und Orte im Bruchsaler Theater „Die Koralle“, denen Anne und Ingrid immer wieder intensivst zu Leibe rücken mit „Lumbe, Ämer, Besse und Kehrwisch“. Den Ruhm kriegen immer nur die Mimen auf der Höhe der Bühne ab und die Basisarbeit am Boden bleibt im Dunkeln.
Der Wusch aus dem Putzkeller herauszutreten geht in den zwei folgenden Teilen in Erfüllung, wenn Anne und Ingrid in eleganten Kleidern mit Hut statt Kopftuch ihre Erkenntnisse und Erfahrungen austauschen. Dabei halten die beiden Damen unserer Gesellschaft den Spiegel vor und ernten viele Lacher, wenn sie Verhaltensweisen ansprechen, die uns allen bei uns selbst und unseren Mitmenschen begegnen. Da ist der ewige Wettbewerbsdruck in unserer Gesellschaft, wer das hübschere oder intelligentere Kind hat oder die Kinderwagenlimousine mit den meisten Extras. Da ist das Hineinregieren der Helikoptereltern in den Schulalltag. Da sind die fremdländisch klingenden Kindernamen als Ausweis der Individualität. Da sind die Best Ager, die viel verreisen, die aber mit Entsetzen feststellen, dass sie nach Ende ihres Arbeitslebens keinen Urlaub mehr haben.
Anne Sessler, die die Dialoge verfasst hat, hat dabei dem Volk genau aufs Maul geschaut. Die Komik speist sich aus der Verwendung von Dialekt, genauer gesagt zweier verschiedener Dialekte. Denn wer etwa meint Wiesental in der Kurpfalz und die eigentliche Pfalz lägen nahe beieinander, lernt an diesem Abend, dass dies zwar von der Geographie, nicht aber vom Dialekt her stimmt. So ergeben sich viele komische Missverständnisse wenn die Pfälzerin von „Gemä“, die Kurpfälzerin von „Gemoi“ spricht, beide aber „Gemeinde“ meinen. Viele Sprachfügungen wie „Axelbärle“, „Löchel“ oder „Schäpperdappschädel“ hören sich per se schon komisch an. Dazu kommt noch die auf Gegensatz angelegte Rollenkonfiguration der beiden Dialogpartner: Anne Sessler gibt die sensible, feine, oft irritierte, zurückhaltende Dame, während Ingrid Heiler als Ingrid die auftrumpfende Schlabbergosch mit großer Entschiedenheit markiert, die häufig mit ihrer schnellen Reaktion haarscharf danebenliegt und damit die Lacher auf ihrer Seite hat. Viel Beifall erhielten auch gereimte Passagen, die im dialektalen Schnellsprech eine ungemeine Komik entfalteten. Mit dem Durchbrechen der vierten Wand am Ende jeder Szene konnte jeweils eine Figur sich das Publikum zum Komplizen machen und auf Kosten der anderen einen Lacher einheimsen.
Anne Sessler und Ingrid Heiler bereiteten so einen äußerst vergnüglichen Samstagabend im Rahmen der Oberderdinger Kulturtage. Sie sind als Produktion des Bruchsaler Theater „Die Koralle“ schon seit 10 Jahren vor allem im Rheingraben unterwegs. Oberderdingen war ihr erster Ausflug in die hügligere Region des Kraichgaus. Diesem ersten Besuch dürften, wenn es nach dem starken Applaus des Publikums geht, noch weitere folgen.
Horst Immel
Zehn Plakatwände in Oberderdingen:
Eröffnung der Ausstellung am 24.04. 2016
Ausstellung Stadt –Land-Welt
Am letzten Tag der Oberderdinger Kulturtage wurde die Ausstellung Stadt-Land-Welt: Kunst an der Plakatwand offiziell eröffnet. Bürgermeister Thomas Nowitzki begrüßte die 10 Künstlerinnen und Künstler auf dem Markplatzin. Ihre 10 Kunstwerke sind im gesamten Jubiläumsjahr 2016 in Oberderdingen zu sehen. Eines befindet sich am Markplatz am Amthof, die übrigen an der Einfahrtsstraße von Flehingen her, auf Höhe der E.G.O und an der Einmündung der Langwiesenstraße. Die Eröffnungsfeier wurde umrahmt von der Jugendmusikschule Unterer Kraichgau unter Leitung von Robert Amend.
Als die Karlsruher Künstlerin Angela Junk-Eichhorn 1988 ein neues Haus bezog, fand sie auf dem Grundstück zwei kommerziell für Werbezwecke benutzte Plakatwände. Diese brachten sie auf die Idee einen neuen Verbreitungsweg für Kunst zu nutzen.
Liegt für die Künstler und Künstlerinnen der Reiz darin, ein neues Publikum anzusprechen und die traditionellen Wege zu verlassen, so erfreut sich die ‚Kunst an der Plakatwand‘ bei Passanten auch deshalb eines großen Interesses, weil es eine Kunst zum Anfassen ist. Kein Glas und keine Lichtschranke trennen den Betrachter vom Betrachteten. Die Kunst ist buchstäblich von ihrem Sockel gestiegen und zeigt sich auch von Wind und Wetter unberührt. (http://www.kunstanderplakatwand.de/projekt.html)
Seitdem haben sich Künstlerinnen und Künstler (in verschiedenster Zusammensetzung) an unterschiedlichen Orten (Straßburg, Wörth, Oxford, Karlsruhe-Durlach etc.) zusammengetan, um ihre Werke im öffentlichen Raum zur Schau zu stellen. Großflächig aufgestellt, auf einer Wiese, vor Industriebauten der E.G.O in Oberderdingen oder auf der Außenwand des historischen Amthofes entsteht jeweils ein neuer Kontext, in dem die Werke eine neue Sichtweise auf die Plakate und eine neue Wirkung entfalten. Nebenbei bieten die in Oberderdingen gezeigten Plakatkunstwerke einen guten Überblick über die unterschiedlichsten Strömungen in der zeitgenössischen Kunst. Die meisten Künstlerinnen und Künstler in dieser Schau kommen aus der Region, drei (Kerstin Bach, Helga Essert-Lehn, Harald Kille) wohnen und arbeiten in Oberderdingen.
Die folgenden Plakatwände sind im ganzen Jahr 2016 in Oberderdingen zu erleben:
Kerstin Bach „Nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen
Lidia Beleninova „If you’re not on line, you’re really alone”
Helga Essert-Lehn “Fly a kite!”
Holger Fitterer, “Forn”
Angela Junk-Eichhorn „Circle“
Harald Kille „Fünf weibliche Figuren“
Olga Sora-Lux „ohne Titel“
Sandro Vadim „ohne Titel“
Jürgen Wiesner „Bach/Schmetterling“
Susanne Zuehlke, „Einladung ins Freie“
Horst Immel